1. Allgemeines

Am 16. Oktober 2013 hat der nordrhein-westfälische Landtag das Erste Gesetz zur Umsetzung der VN-Behindertenrechtskonvention mit folgenden Neuerungen verabschiedet.

  • Gemeinsames Lernen von Schülern mit und ohne Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung wird zum gesetzlichen Regelfall. Eltern eines Kindes mit festgestelltem Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung müssen nicht länger die Aufnahme an einer allgemeinen Schule eigens beantragen. Die Schülerinnen und Schüler haben das Recht, eine Schule vor Ort zu besuchen, um dort gemeinsam lernen zu können und unterrichtet zu werden.
  • Die Schulaufsicht benennt bei Feststellung eines Bedarfs an sonderpädagogischer Unterstützung in Abstimmung mit dem Schulträger mindestens eine allgemeine Schule, die für das Gemeinsame Lernen personell und sächlich ausgestattet ist.
  • Nur in begründeten Ausnahmefällen kann hiervon abgewichen werden („Umkehr der Beweislast“).
  • Eltern haben weiterhin das Recht eine Förderschule zu wählen, wenn ein entsprechendes Angebot vorhanden ist.

Durch die Umsetzung der VN- Behindertenrechtskonvention und die daraus resultierende Auflösung von Förderschulen kommen Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in unsere Regelschulen.

Ein  Antrag auf Eröffnung des Verfahrens zur Feststellung des Bedarfes an sonderpädagogischer Unterstützung wird grundsätzlich von den Erziehungsberechtigen gestellt (§11 AO-SF). Bei der Schulanmeldung des Kindes können die Eltern bereits den Antrag bei der zuständigen Grundschule oder bei einem vermuteten Förderschwerpunkt auch bei der Förderschule stellen (vgl. § 11 Abs. 23 AOSF). Die allgemeine Schule kann nur in begründeten Ausnahmefällen einen Antrag stellen (vgl. § 12 Abs. 1 AOSF). Dies ist der Fall, wenn ein vermuteter Förderschwerpunkt ESE mit einer Selbst- und Fremdgefährdung einhergeht oder wenn der Schüler nicht zielgleich unterrichtet werden kann (vgl. § 12 Abs. 1 Nr.1 und 2 AO-SF). Bei einem vermuteten Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung im Bereich Lernen, emotionale und soziale Entwicklung oder Sprache kann die Schule den Antrag erst dann stellen, wenn das Kind die Schuleingangsphase der Grundschule im dritten Jahr besucht (vgl. § 12 Abs.3 AOSF).

Seit dem Schuljahr 2014/15 ist die Ev. GS Oberbauerschaft vom Schulamt und vom Schulträger benannte „Schule des Gemeinsamen Lernens“ in Hüllhorst (1 von insgesamt 2) und hat sich auf den Weg gemacht, Schülerinnen und Schüler mit besonderen Unterstützungsbedarfen auch ohne Durchlaufen eines AO-SF Verfahrens in den Bereichen „Lernen“, „Sprache“, „körperliche und geistige Entwicklung“ und „Emotionale und soziale Entwicklung“ gemeinsam zu unterrichten und individuell zu fördern und zu fordern.

Zurzeit werden an unserer Schule Kinder mit und ohne Feststellung des sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfes laut AO-SF in Regelklassen unterrichtet.

Lerngruppen sind seit jeher heterogen, und wir haben unsere Unterrichtsvorhaben danach ausgerichtet, dass Kinder den zu bearbeitenden Lernstoff auf unterschiedlichen

Niveaustufen und in eigenem Lerntempo bearbeiten, so dass jedes Kind individuelle Lernfortschritte erzielen kann.

Die an unserer Schule tätigen Lehrkräfte haben in den letzten drei Jahren an Fortbildungsveranstaltungen zu inklusiven Themen teilgenommen und diese ins Kollegium getragen. Vor allem der Umgang mit Kindern mit herausforderndem Verhalten stand und steht dabei immer wieder im Mittelpunkt. Seit Februar ist an unserer Schule eine Sonderpädagogin mit 18 Wochenstunden tätig.

2. Leitgedanken zum Gemeinsamen Lernen

Jedes Kind ist an unserer Schule willkommen.

Jedes Kind hat seine individuelle Lebensgeschichte und Persönlichkeit.

Jedes Kind hat ein Recht auf eine Schule, in der es seinen Fähigkeiten entsprechend gefördert und gefordert wird.

Jedes Kind hat das Recht auf eine wohnortnahe Schule (kurze Beine- kurze Wege), damit es in seinem sozialen Umfeld leben kann.

Gemeinsamer Unterricht ist ein Grundrecht von Kindern mit festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf.

An unserer Schule wollen wir Kinder mit Beeinträchtigungen nicht selektieren, sondern integrieren.

Wir erkennen bei Kindern mit besonderen Schwierigkeiten unsere Grenzen und holen uns außerschulische Hilfen und Beratung.

Wir tauschen uns mit anderen Lehrkräften, der Sonderpädagogin und den Erziehungsberechtigten regelmäßig über den Leistungsstand und/ oder das Verhalten des betreffenden Schülers/ der betreffenden Schülerin aus.

Wir wollen das Gemeinsame Lernen weiter entwickeln und machen uns auf den Weg.

3. Aufgabenbereiche in vorrangiger Verantwortung der Sonderpädagogin im gemeinsamen Lernen an unserer Schule

  • Beratung zu Lernsettings und zur Lernumgebung
  • Diagnostische Unterstützung auf basale Entwicklungsbereiche wie Motorik, auditive und visuelle Wahrnehmung, emotionales und soziales Verhalten, Sprache und Lernen
  • Durchführung spezifischer Diagnoseverfahren
  • Organisation und Dokumentation der Förderplanung
  • Beratung von Kollegen, Eltern, Schülerinnen und Schülern

4. Förderplanung

Die Schülerinnen und Schüler der Grundschule Oberbauerschaft werden ihren individuellen Bedürfnissen entsprechend gezielt gefördert.

Für die Förderplanung wurden als Instrument die Hefte „Förderplan Primarstufe 1. und 2. Klasse“ sowie „Förderplan Primarstufe 3. und 4. Klasse“ angeschafft. Diese werden für alle Schülerinnen und Schüler mit Unterstützungsbedarf halbjährlich geführt.

Erhebungszeitpunkte:

Klassenstufe

Ende 1. Halbjahr

Ende 2. Halbjahr

1

X

X

2

X

 

3

X

X

4

X

 

 

Der Förderplan enthält die persönlichen Daten des Kindes, Angaben zur sozialen und emotionalen Entwicklung, zum Arbeitsverhalten, zur Wahrnehmung und zu den Fächern (Mathematik, Deutsch, Sachunterricht, Musik, Kunst, Sport). Die Einschätzungen zu den aufgeführten Bereichen werden von den beteiligten Lehrkräften in Kooperation mit der Sonderpädagogin eingetragen.

Je nach Umfang des Unterstützungsbedarfs werden 1-3 Förderziele formuliert und konkrete Maßnahmen festgelegt, die zu einem individuellen Zeitpunkt ausgewertet und fortgeschrieben werden. Die Förderziele werden von der Sonderpädagogin in Absprache mit den beteiligten Lehrkräften festgelegt.

Der Förderplan wird gemeinsam mit dem Schüler/der Schülerin und den Erziehungsberechtigten besprochen und evaluiert.

Die Handhabung der Förderplanhefte soll zum Ende des Schuljahres 2019/2020 mit dem Kollegium ausgewertet werden.

5. Mögliche Organisationsformen des gemeinsamen Lernens an unserer Schule

Die Kinder mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf werden in der Klassengemeinschaft, aber auch in der äußeren Differenzierung gefördert. Somit kann auf den Bedarf des Kindes an Förderung flexibel eingegangen werden. Die Entscheidung richtet sich nach dem von der Klassenlehrkraft und der Sonderpädagogin festgelegten Förderplan, da die Kinder entsprechend ihrem Förderbereich unterschiedliche Maßnahmen erhalten.

Folgende Kooperationsformen sind an unserer Schule etabliert:

1. Lehrkraft und Sonderpädagogin als Beobachterin

  • Lehrkraft übernimmt die Unterrichtsvorbereitung, während Sonderpädagogin Kinder beobachtet (als Basis zur Erstellung von Förderplänen)

2. Lehrkraft und Sonderpädagogin als Lernbegleiterin

  • Lehrkraft übernimmt die Unterrichtsvorbereitung, Sonderpädagogin unterstützt Schülerinnen und Schüler bei der Erledigung ihrer Arbeitsaufgaben sowie ihrer kommunikativen Absichten und schreitet bei Auffälligkeiten im Verhalten und der Arbeitshaltung ein. Sonderpädagogin bietet zusätzliches Material zur Bewältigung der Lernaufgabe an.

3. Lehrkraft und Sonderpädagogin als Team

  • Der Unterrichtsstoff wird in zwei Aufgabenbereiche und die Klasse in zwei Gruppen geteilt, die von einer Lehrkraft zur nächsten wechseln, so dass beide Gruppen den jeweiligen Unterrichtsinhalt bearbeitet haben.
  • Jede Lehrkraft unterrichtet einen Teil der Klasse, wobei dieselben Inhalte vermittelt werden.
  • Beide Lehrkräfte unterrichten eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern niveaudifferenziert.
  • Beide Lehrkräfte führen den Unterricht gemeinsam durch, wechseln sich in der  „Führung“ ab und übernehmen dann die zuvor beschriebenen Kooperationsformen nach Absprache.

6. Eckpunkte unseres Konzepts zum gemeinsamen Lernen

Für das gemeinsame, effiziente Handeln und Erstellen von Förderplänen und deren Evaluation ist es unabdingbar, sich im Kollegium, im Team und auch in Sitzungen und Konferenzen kollegial auszutauschen.

Ab dem 01.02.2019 haben wir wie erwähnt Verstärkung von einer Sonderpädagogin erhalten. Sie ist mit 18 Wochenstunden an unserer Schule tätig. Im Stundenplan hat sie zurzeit 2 Beratungsstunden fest verankert, die bei Bedarf von den Kollegen und Kolleginnen zur Beratung, Diagnostik, Förderplanevaluation oder für den kollegialen Austausch angefordert werden können. Sie hospitiert zu Beginn eines jeden Schuljahres in allen Klassen unserer Schule, um gemeinsam mit der Lehrkraft Beobachtungen auszuwerten und Förderpläne zu erstellen. Im Laufe des Schuljahres kann ihr Einsatz variieren, je nach Unterstützungsbedarf einzelner Schüler oder auch Schülergruppen.

Nach Absprache mit der Schulleitung können die Beratungsstunden der Sonderpädagogin auch von Nachbargrundschulen genutzt werden, sofern sie nicht über eigene Sonderschulressourcen verfügen. (Gemeinsame Anschaffung mit dem Grundschulverbund am Wiehengebirge das Testmaterial: IDS 2). Die restlichen zur Verfügung stehenden Stunden werden gemäß den unter Organisationsformen des Gemeinsamen Lernens aufgeführten Punkten flexibel in den Klassen eingesetzt.

Folgende Eckpunkte werden unserem Konzept zum Gemeinsamen Lernen zugrunde gelegt:

  1. Vor der Erstellung eines Förderplans wird die Lernausgangslage des Kindes gründlich analysiert, die bestehenden Schwierigkeiten in einzelnen Bereichen notiert und anschließend ausgewertet. Daraus kann sich ein herausstechender Förderbedarf ergeben, der dann zunächst vorrangig in den Förderplan einfließt. Die formulierten Förderziele sollten kurz, prägnant, mess- und beobachtbar sein und möglichst nicht die Zahl 3-4 übersteigen. Auch die eingeleiteten Maßnahmen werden in dem Förderplan dokumentiert sowie das Datum der Evaluation und die Notizen zu Elterngesprächen. 
  2. Der Förderplan wird gemeinsam mit der Klassenlehrkraft, der Fachkraft und unserer Sonderpädagogin erstellt. Dabei obliegt die gemeinsame Erstellung letztendlich jedoch mehr in der Verantwortung der Sonderpädagogin, da sie über die Fachkompetenz zur Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen verfügt.
  3. Der Austausch zwischen Sonderpädagogin und Lehrkraft findet regelmäßig statt. Er dient zur Überprüfung der gesetzten Ziele und der Fortschreibung des Förderplans. Absprachen werden auf ihre Wirksamkeit hin überprüft und reflektiert, auch mit den Schülerinnen und Schülern.
  4. Die Evaluation des Förderplans findet in der Regel zum Ende eines Schulhalbjahres statt, wobei kleinschrittige Förderziele durchaus auch schon nach kürzerer Zeit erweitert oder als erreicht aus dem Plan gestrichen werden können. Diese Überprüfung findet wiederum gemeinsam mit der Lehrkraft und der Sonderpädagogin statt.
  5. Elterngespräche werden regelmäßig angeboten und gemeinsam durchgeführt.
  6. Die Schulleitung ist über die eingeleiteten Fördermaßnahmen informiert und kann in Gesprächen beratend zur Seite stehen.

7. Räumlichkeiten

An unserer Grundschule wird zu Beginn des Schuljahres 2019/20 ein freiwerdender Klassenraum als Förderraum  eingerichtet. Er soll differenziertes Lehr- und Lernmaterial für die Jahrgänge 1-4, Freiarbeits- und Anschauungsmaterialien sowie Spiele und Arbeitskarteien für die Schülerinnen und Schüler enthalten. Nutzbar sind auch unsere transportablen Laptops. Der Raum soll auch als Beratungsraum genutzt werden.

8. Nachteilsausgleich

Bei Schülern ohne anerkannten Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung sind die Fördermaßnahmen und der gewährte Nachteilsausgleich in der Schülerakte zu vermerken, wenn der Schüler über eine längere Zeit oder auf Dauer besondere Förderung und Nachteilsausgleich erhält.

Bei Schülern mit anerkanntem Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung müssen die Fördermaßnahmen und der gewährte Nachteilsausgleich in einem individuellem Förderplan dokumentiert und beschrieben werden.

Nachteilsausgleiche werden nicht auf dem Zeugnis vermerkt.

 

Stand Juni 2019